Smart Country Convention

Digitalisierung der Verwaltung: Hohe Erwartungen, ernüchternde Realität

Carl-Friedrich Höck07. November 2023
Vom heimischen Laptop mit der Kommunalverwaltung kommunizieren – diese Möglichkeit wünschen sich viele Deutsche.
Die meisten Deutschen wünschen sich digitalere Verwaltungen und trauen der eigenen Kommune auch viel zu. Das zeigt eine Bitkom-Umfrage. Tatsächlich genutzt werden Online-Services aber bisher kaum. Woran liegt das?

Was die Bürger*innen von ihren Kommunen erwarten, ist klar: 87 Prozent wünschen sich, dass ihre Stadt- oder Gemeindeverwaltung das Thema Digitalisierung mit mehr Nachdruck verfolgt. Zu diesem Ergebnis kommt eine Umfrage des Branchenverbandes Bitkom unter mehr als 1.000 Menschen in Deutschland.

Die gute Nachricht: 71 Prozent der Befragten trauen ihrer kommunalen Verwaltung einen kompetenten Umgang mit dem Thema Digitalisierung zu. Das sind sieben Prozent mehr als im Jahr 2020. Doch nur vier von zehn Befragten bewerten den Digitalisierungsgrad ihrer Stadt oder Gemeinde als fortgeschritten.

Nur jede*r Siebte hat online schon einen Antrag gestellt

Das Ausmaß des Problems offenbart ein weiteres Befragungsergebnis. Die Forscher*innen wollten wissen, welche Möglichkeiten die Menschen bereits genutzt haben, um digital Kontakt mit einer Behörde aufzunehmen. Immerhin 61 Prozent hatten bereits online einen Termin vereinbart. Doch nur 23 Prozent haben schon einmal ein Kontaktformular auf der Website einer Behörde genutzt. Eine Verwaltungsleistung online beantragt haben lediglich 14 Prozent. Erfahrungen mit virtuellen Sprechstunden oder Chatbots auf Verwaltungs-Websites haben sogar nur je vier Prozent der Befragten gesammelt. Mehr als jede*r Dritte gab an, noch nie digitalen Kontakt zu einer Behörde gehabt zu haben.

„Es ist schon ein bisschen ein Witz, wenn man eine Online-Terminvereinbarung als das einzige probate Mittel sieht“, zeigte sich Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst am Dienstag ernüchtert, als er die Zahlen vorstellte. Anlass war die Eröffnung der Smart City Convention in Berlin, einer Messe zur Verwaltungsdigitalisierung. Auch diese zeigt, dass das Interesse am Thema durchaus hoch ist – auch auf kommunaler Seite: Rund 15.000 Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft, Städten und Gemeinden haben sich für die Veranstaltung angemeldet.

Lernen von Elster

Wie digitale Dienste erfolgreich sein können, zeigt das Beispiel Elster. Jede*r vierte Deutsche nutzt die Steuer-Software bereits. Drei von vier Befragten kennen das Angebot. Laut Wintergerst zeigt Elster als Blaupause, was ein digitaler Dienst erfüllen sollte: Er muss funktional sein, für die Bürger*innen einen Vorteil bieten, offene Schnittstellen haben, einen zentralen Ansatz verfolgen und bekannt sein.

Letzteres trifft auf viele digitale Angebote nicht zu. Zwar kommt der Digitale Personalausweis auf einen Bekanntheitsgrad von knapp 70 Prozent. Doch nur etwa jede*r Dritte kennt einen Mängelmelder für Mängel im öffentlichen Raum. 23 Prozent wissen, dass sie ein Konto auf der Website ihrer Kommune oder ihres Bundeslandes anlegen können. Und das zentrale Nutzerkonto des Bundes, die Bund-ID, ist nur jeder*m fünften Befragten bekannt.

„Ich glaube, dass es uns nicht an Geld fehlt und nicht an technischen Fähigkeiten“, sagte Bitkom-Präsident Wintergerst auf die Frage, warum die Digitalisierung der Verwaltung in Deutschland so schleppend vorangeht. „Wir lassen aber Geld auf der Straße liegen, wenn es um die Koordination geht, welcher Service von wem wie entwickelt und dann eingeführt wird.“ Es gebe zwar das Einer-für-alle-Prinzip (EfA), sodass beispielsweise ein Bundesland eine Lösung entwickelt, die dann alle einsetzen können. Das basiere aber auf Freiwilligkeit, oft machten nicht alle Länder mit. IT und Digitalisierung lebe von Skalierung, so Wintergerst weiter. Wenn viele auf einer App aktiv seien, dann könne man sie auch stets weiter verbessern. „Uns fehlt es oft an Disziplin, sich auf eine Lösung zu einigen, sie dann auch flächendeckend auszurollen, und die man gemeinsam flächendeckend nach vorne entwickelt.“

Ampel-Koalition setzt Fokus auf Basis-Dienstleistungen

Das Thema beschäftigt aktuell auch den Bundestag. Dort wird seit September über die Weiterentwicklung des Online-Zugangsgesetzes (OZG 2.0) beraten. Damit will die Ampel-Koalition die Zusammenarbeit von Bund und Ländern verstetigen. Die Bundesregierung hat sich außerdem zum Ziel gesetzt, dass 15 zentrale Dienstleistungen spätestens im kommenden Jahr flächendeckend digital bereitgestellt werden. Dazu zählen Ummeldungen, das Elterngeld, die Eheschließung, die KfZ-An- und Ummeldung, die Baugenehmigung, der Führerschein und das Wohngeld.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser auf der Smart Country Convention. Foto: Messe Berlin

„Gute Nachrichten“ überbrachte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zum Auftakt der Smart City Convention nach eigener Aussage. Die Ministerpräsident*innenkonferenz habe in der Nacht zu Dienstag beschlossen, die Digitalisierung gemeinsam zu finanzieren und voranzubringen.

Laut Faeser habe es für die Bund-ID im Oktober 2023 schon 3,4 Millionen Konten gegeben. Ein Jahr zuvor seien es noch 212.000 gewesen. „Offenbar gibt es enormen Bedarf an digitalen Lösungen“, kommentierte Faeser. Die Digitalstrategie der Bundesregierung sei auf einem guten Weg.

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