Notfall-Vorsorge

Wie sich Kommunen auf einen Black-out vorbereiten

Susanne Dohrn 25. August 2023
Die Pinneberger Bürgermeisterin Urte Steinberg und Robert Schwerin mit einem Schild, wie sie demnächst verteilt über den Kreis Pinneberg informieren sollen.
Es ist Winter. Es ist kalt. Der Strom fällt aus – nicht nur für ein paar Stunden, sondern über Wochen und flächendeckend im ganzen Land. Unmöglich? Nein! Deshalb treffen Kommunen Vorsorge.

Der Anschlag auf die Nordstream-Leitungen in der Ostsee und der Stopp der Gaslieferungen aus Russland haben gezeigt, wie verwundbar unsere Energieversorgung sein kann. Ein Umdenken hat eingesetzt – nicht nur auf der Ebene der Bundesregierung, sondern auch regional und kommunal. Ein Beispiel ist der Kreis Pinneberg im Süden von Schleswig-Holstein. Im Spätsommer vergangenen Jahres gründete die Kreisverwaltung die Arbeitsgruppe „Gas- und Energiemangellage“, die bis heute regelmäßig tagt. Beteiligt daran sind u.a. die Kommunalverwaltungen, Feuerwehr, Technisches Hilfswerk (THW), Stadtwerken und Abwasserzweckverband.

Verschiedene Szenarien im Blick

„Zunächst lautete unser Thema: Was passiert, wenn wir beim Gas einen Versorgungsengpass bekommen“, sagt Robert Schwerin, Fachbereichsleiter Bevölkerungsschutz, Zuwanderung und Gesundheit der Kreisverwaltung, und fügt hinzu: „Sehr schnell wurde klar: Die Menschen heizen und kochen dann mit Strom.“ Die Folgen wären eine Überlastung des Stromnetzes und Stromausfälle. Solange das regional passiere, könnten die Stadtwerke vermutlich Strom aus den umliegenden Kreisen beziehen.

Als im November immer klarer wurde, dass das Gas den Winter über reichen würde, sei ein anderes Szenario in den Vordergrund gerückt: Was passiert, wenn in Deutschland flächendeckend der Strom ausfällt, zum Beispiel wegen eines Anschlags auf das Stromnetz? Wie informieren wir die Bevölkerung? Wie sichern wir die Wasser- und Abwasserversorgung? Wo können sich Menschen aufwärmen, weil die meisten Heizungen ohne Strom nicht funktionieren? Wie lässt sich die ärztliche Versorgung so sichern, dass die Krankenhäuser nicht unter der Last der Hilfesuchenden zusammenbrechen?

Kein Strom, kein Telefon, keine Heizung

Schnell stellte sich heraus, dass es für diesen Fall kaum Vorkehrungen gab. Schwerin erzählt von einem Austausch etwa mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV). „Das Szenario stand einfach nicht auf der Agenda. Da muss es aber hin. Bei einem flächendeckenden Stromausfall kann ich nichts mehr mal eben per Telefon klären.“ Er erzählt weiter. Ohne Strom gibt kein Benzin. Deshalb gibt es mit Notstromaggregaten ausgerüstete Notfalltankstellen, um die Fahrzeuge der kritischen Infrastruktur betanken zu können. Das funktioniert. Es wurde bei Katastrophenübungen getestet. Auf der sicheren Seite war man im Kreis Pinneberg dennoch nicht.

„Die Tankstellen nutzen für ihr Abrechnungssystem einen Internetanschluss“, sagt Schwerin. Das Internet war bei den Übungen aber nur kurzfristig ausgefallen, weil mit dem Strom aus dem Generator der Internet-Zugang automatisch wiederhergestellt wurde. Schwerin: „Beim Black Out ist das anders. Da funktionieren Server und Internet und damit auch die Zapfsäulen nicht.“

Der Hinweis auf die gravierende Sicherheitslücke kam von einem Mitarbeiter des THW. Inzwischen gibt es im Kreis für die entsprechenden Tankstellen ein Notkonto, sodass Abrechnungen auch ohne Internet möglich sind. Schwerin erklärt: „Die meisten Lösungen findet man, wenn man gemeinsam mit Experten aus allen betroffenen Bereichen spricht und zusammenarbeitet.“ Inzwischen hat der Kreis auch sichergestellt, dass Wasser- und Abwasserversorgung bis zu einer Woche im Großteil des Kreisgebiets funktionieren. Zudem ist in Planung, dass, falls nötig, nach fünf bis sieben Tagen auch eine Lebensmittelversorgung anläuft.

Notfall-Infopunkte für die Bevölkerung

Eine zentrale Rolle im Black-Out-Konzept des Kreises Pinneberg spielen die Notfall-Infopunkte in allen Kommunen, die im Notfall rund um die Uhr und sieben Tage die Woche besetzt sind. Es gibt sie in 3 Kategorien:

  • In der Kategorie C können Menschen Informationen einholen, Notrufe und Hilfeersuchen loswerden. Es gibt ein „Schwarzes Brett“ für Hilfeersuchen und Hilfeangebote sowie einen Erste-Hilfe-Koffer.
  • In der Kategorie B gibt es zusätzlich die Möglichkeit Babynahrung aufzuwärmen und medizinisches Gerät aufzuladen, z.B. die Akkus von Beatmungsgeräten etc. Der Zugang ist barrierefrei und es gibt eine Wärmeversorgung für diejenigen, die es zu Hause gar nicht mehr aushalten können.
  • Die Kategorie C bietet zusätzlich Räume für eine ambulante ärztliche Versorgung und eine Wärmehalle.

Wasser und Lebensmittel für eine Woche

Notfallpunkte

Klar sei aber auch, so Schwerin: „Selbstvorsorge ist der beste Schutz – individuell, aber auch für die Gemeinschaft. Jeder, der sich mindestens eine Woche selbst versorgen kann, hilft den Einsatzkräften weiter.“ Er empfiehlt einen Vorrat an Kerzen, Batterien für Taschenlampen, Trinkwasser und Lebensmitteln. Die Lebensmittel sollten länger haltbar sein, nicht gekocht und nicht gekühlt werden müssen. „Ein guter Tipp sind Haferflocken. Die sind nahrhaft, man kann sie über Nacht einweichen und mit ein bisschen Zucker essen.“ Und er hat noch einen Tipp: „Helfen Sie sich reihum gegenseitig weiter, in der Nachbarschaft, unter Freunden.“ Wer noch einen Holzofen hat, kann Wärme bieten, wer einen Gaskocher hat, kann andere mitversorgen. Und er warnt: „Maximaler Egoismus führt dazu, dass es für alle schwierig wird.“

Wo sich die Notfall-Infopunkte befinden, ist auf einer Seite des Kreises Pinneberg nachlesbar – solange der Strom nicht ausfällt.

Mehr Informationen:
sei-bereit.kreis-pinneberg.de

 

 

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