Digitalisierung und KI

Wie Kommunen Künstliche Intelligenz einsetzen und voranbringen

Karin Billanitsch17. März 2021
Für Systeme mit künstlicher Intelligenz gibt es in den Kommunen breite Anwendungsmöglichkeiten.
Bundesweit kommen in kommunalen Verwaltungen immer häufiger KI-Systeme zum Einsatz. Vom Chatbot bis hin zu einer automatisierten Zustandsbeschreibung der Straßen sind die Anwendungsmöglichkeiten zahlreich. Bürger*innen und Verwaltungsmitarbeiter*innen müssen bei diesen Prozessen mitgenommen werden.

Im Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg in Berlin ermöglicht der Einsatz von künstlicher Intelligenz (KI) einen guten geografischen Zuschnitt der Einschulungsbereiche. Dahinter steht eine komplexe Abwägung verschiedener Parameter. Von den möglichst kurzen Laufwegen der Grundschulkinder über die richtige Auslastung der Schule bis hin zur sozial ausgewogenen Durchmischung der Schüler*innen gilt es vieles zu berücksichtigen. Das System ist mit unzähligen Daten des statistischen Landesamtes gefüttert – damit erzeugt ein Algorithmus einen Entwurf, quasi auf Knopfdruck.

„So können unterschiedliche Modelle für Schulzuschnitte geprüft und evaluiert werden“, sagt John Meister, Consultant für die Digitalisierung von Kommunen beim IT-Dienstleister Dataport, während einer Veranstaltung der Initiative „KI in Kommunen" des Co:Lab in Berlin. Initiatoren der Initiative „KI in Kommunen" des Co:Lab sind die Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsmanagement (KGSt), der Deutsche Städte- und Gemeindebund (DStGB) und das Fraunhofer IESE.

Ob es der raffiniert eingerichtete digitale, intelligente Posteingang der Stadt Bergheim ist, wo die Papierpost nicht nur gescannt, sondern auch gleich der Organisationsebene und den Zuständigen zugeordnet wird, oder die intelligente Straßenzustandserfassung in Soest per Handykameras –  das sind einige Beispiele, wie KI in Kommunen ganz konkret in der Praxis genutzt werden kann.

KI können Aufgaben übernehmen, die Routine sind, zum Beispiel Papierpost oder handschriftlich ausgefüllte Formulare digital erfassen oder neu eingeben. Im Einsatz sind auch Chatbots oder Sprachassistenten, die häufige Fragen beantworten können. Auch bei moderner Bilderkennung werden KI-Formen verwendet. Zudem verfügen Kommunen über riesige Datenmengen – sie müssen sinnvoll gemanagt werden.

Enquete-Kommission Künstliche Intelligenz

In vielen Verwaltungsprozessen kann KI unterstützen. Dabei werden zahlreiche Fragen aufgeworfen, nicht nur technischer Art. Mit ihnen hat sich die Enquete-Kommission „Künstliche Intelligenz – Gesellschaftliche Verantwortung und wirtschaftliche, soziale und ökologische Potenziale“ befasst. Die Mitglieder sollten den zukünftigen Einfluss von KI auf die Wirtschaft, die Arbeitswelt und den Staat untersuchen. Der Abschlussbericht wurde im Oktober 2020 vorgelegt.

 „KI-Systeme prägen einige Wirtschafts- und Lebensbereiche bereits sehr stark und es ist davon auszugehen, dass sie Einfluss auf alle Lebensbereiche nehmen werden“, sagte Daniela Kolbe (SPD), die den Vorsitz bei der Kommission führt. Für sie ist wichtig: „Wir wollen eine KI, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt.“ Das sagte sie anlässlich der Vorstellung des Berichts. Daher brauche es KI, die etwas Sinnvolles tun, die reale Probleme lösen und denen man vertrauen könne.

Sie hält die Kommunen für wichtige Akteure bei der Entwicklung von KI-Systemen, wie Kolbe in einer neuen Publikation der Initiative schreibt. KI-Systeme böten einen großen Mehrwert in den Städten, Kreisen und Gemeinden, so die SPD-Bundestagsabgeordnete.

Im Rahmen von „#KoKi“, wie die Initiative abgekürzt wird, haben sich viele Expert*innen aus unterschiedlichen Bereichen vernetzt. Mit dabei ist auch Henning Lühr (SPD), ehemaliger Staatsrat in Bremen und früherer Vorsitzender des IT-Planungsrates. Er beschreibt die Auswirkungen der Digitalisierung und KI auf die Arbeit 4.0 in den Verwaltungen: „Die klassischen Berufsfelder werden sich erheblich verändern, es entstehen neue. Vor allem die Gestaltung der Veränderung und die digitale und soziale Teilhabe an den Prozessen sind die Felder, mit denen wir uns auseinandersetzen müssen.“

Lühr: Ungleichheit wird reproduziert“

Digitalisierung und KI verlaufen laut Lühr sehr unterschiedlich in der Produktion, im Dienstleistungsbereich und in der Verwaltung – teils in Schüben, zum Teil langsam und unbemerkt. „Das erfordert eine gezielte Auseinandersetzung und Gestaltung. Wir müssen sehen, wo die Gestaltungspotenziale sind, und diese auch wahrnehmen“, so Lühr.

Die Gesellschaft und die Menschen sind von diesen Entwicklungen unterschiedlich betroffen: „Chancen werden neu verteilt, aber nicht vorhandene Chancen werden so quasi festgeschrieben. Ungleichheit wird so reproduziert“, glaubt Lühr. Er zieht daraus den Schluss, dass kommunale Politik dann zum Beispiel „auf den Verlust des bestehenden Status und Einkommenssituation“, auf eine „Vertiefung der sozialen Spaltung“ trifft. Damit seien Verteilungsprobleme für Beschäftigung, Bildung und sozialen Status verbunden. Aber, betont Lühr: „auf der anderen Seite werden Chancen eröffnet“.

Verwaltung im Umbruch

Arbeit 4.0 – dabei gehe es nicht (nur) um Funktionalität, sondern es brauche auch eine „arbeitspolitischen Antwort auf Digitalisierung“, merkt der ehemalige Staatsrat an. Hier seien die Kommunen auch selbst in der politischen Verantwortung. „Das setzt dann natürlich auch eine aufgaben- und umsetzungspolitische Finanzierung voraus“, fordert Lühr.

Mit einem Fokus auf Beschäftigungspolitik können Kommunen handeln, indem sie attraktive Standorte für „Arbeitgeber der Zukunft“ und gute Rahmenbedingungen durch Beratungs- und Partizipationsangebote schaffen oder Firmen bei Umstrukturierungen begleiten. Lühr sieht hier die Kommune als „Leitfigur“, die gemeinsam mit den gesellschaftlichen Trägern – wie Arbeitnehmerorganisationen, Gewerkschaften oder Unternehmen – etwas auf den Weg bringen kann.

Auch über einen kommunalen bildungspolitischen Fokus hat Lühr nachgedacht: Er kann gesetzt werden, indem KI-Entwickler, Nutzer*innen und Unternehmen vernetzt und auf kommunaler Ebene Lern- und Begegnungsräume geschaffen werden. Er führt als Beispiele einen „digitalen Bolzplatz“ in Ulm oder die Bibliothek in Aarhus an. Schule, Aus- und Weiterbildung müssten entsprechende Kompetenzen vermitteln. „Wir dürfen nicht warten, bis die Kommunalaufsicht uns Handlungsanweisungen in die Hand drückt“, so Lühr. Die Kommune solle sich eher als „Ermöglicherin sehen“.