Kämmerertag

Wie Künstliche Intelligenz die Verwaltung verändert

Carl-Friedrich Höck08. September 2023
Chatbots auf der städtischen Website sind erst der Anfang. KI wird den Arbeitsalltag in den Kommunen revolutionieren. Das wurde bei einer Diskussionsveranstaltung auf dem Deutschen Kämmerertag deutlich.

Die Aufregung um die Software ChatGPT sei ein Hype, der hoffentlich bald abebbt, meint Tabea Hein. Für Künstliche Intelligenz (KI) im Allgemeinen gelte das aber nicht. Mitarbeiter*innen in kommunalen Verwaltungen sollten sich jetzt damit befassen, denn Abwarten sei keine Option. Im Thema kennt Hein sich aus: Sie ist KI-Expertin, lehrt an der IU Internationale Hochschule und hat das Buch „Künstliche Intelligenz für die Smart City“ mit herausgegeben.

„Manches funktioniert noch nicht gut”

Welche Rolle KI in Kommunalverwaltungen künftig spielen wird, war am Donnerstag Thema einer Diskussionsrunde auf dem Deutschen Kämmerertag in Berlin. „Es gibt vieles, was man tun kann, aber manches funktioniert noch nicht gut“, sagte Hein. Von Verwaltungen eingesetzte Chatbots seien meistens nur mäßig funktional. Dagegen funktioniere es bereits gut, Texte von einer KI in Leichte oder Einfache Sprache übersetzen zu lassen.

Dass selbst ein simpler Chatbot sich lohnen kann, erklärte Martin Murrack, Stadtdirektor und Kämmerer in Duisburg. Die Stadt setzt einen Bot im Callcenter und auf der Website ein. Die Belegschaft sei anfangs skeptisch gewesen, doch nach kurzer Zeit habe sich herausgestellt, dass 70 Prozent der Anfragen sich tatsächlich standardisierbar beantworten lassen. Die Mitarbeiter*innen hätten somit mehr Zeit, sich um die kritischen Fälle zu kümmern.

Auch in der Rechnungsverarbeitung werde KI bereits verwendet, erzählte Murrack. Eingehende Dokumente könnten damit klassifiziert und relevante Informationen extrahiert werden. In der Zukunft sei denkbar, dass eine KI Unbedenklichkeitsbescheinigungen ausstellt oder Anträge von Steuerpflichtigen – zum Beispiel auf Ratenzahlung – bearbeitet. Dazu müssten aber zunächst Datenschutz-Fragen geklärt werden.

Ausprobieren und nachbessern

Verwaltungen tendierten dazu, alles jahrelang zu planen und bis ins letzte Detail durchzugehen, merkte Murrack an. „So funktionieren Digitalisierungsprojekte nicht.“ Hier sei es wichtig, dass man Mitarbeiter*innen einfach mal ausprobieren lässt. Duisburg gehe offensiv mit Beta-Versionen neuer Software-Programme online und bitte die Bürger*innen um Rückmeldung. „Ganz egal, wie lange wir das testen: Es wird immer Probleme geben, wenn ich mit etwas Neuem online gehe“, argumentiert der Stadtdirektor.

Was KI ist und wie sie arbeitet, erklärte der Neurowissenschaftler Manfred Spitzer auf dem Kämmerertag. Er beschrieb sie als Computer, die wir Gehirne funktionieren. Zunächst werden sie mit Daten gefüttert: Fachliteratur, Bilder etc. Mittlerweile lernten sie mehr und schneller als wir Menschen, so Spitzer. „Danach können sie etwas und wir haben meist keine Ahnung wie und warum.“ Zum Beispiel gebe es eine KI, die das komplizierte Go-Spiel erlernt und so oft gegen sich selbst gespielt habe, bis sie die weltbesten Go-Spieler schlagen konnte. Der Grund: Sie konnte in kurzer Zeit mehr Erfahrung mit dem Spiel sammeln, als es einem Menschen je möglich sein wird.

Aufgrund solcher Beobachtungen erscheint es nicht abwegig, dass Künstliche Intelligenz in Zukunft Armeen im Krieg steuert. Und in den Kommunen? Schon jetzt werden Digitale Zwillinge von Städten entwickelt, um verschiedene Szenarien digital durchspielen zu können. Die automatische Verkehrsüberwachung ist ebenfalls im Aufbau. Bald werden Autos autonom durch die Städte und Gemeinden fahren.

Entlastung oder Konkurrenz für Mitarbeiter*innen?

In den Verwaltungen kann KI dazu beitragen, die Mitarbeiter*innen zu entlasten. Besonders repetitive – also sich ständig wiederholende – Aufgaben seien dafür geeignet, sagte Duisburgs Kämmerer Murrack. „Ich brauche keine Kollegen, die Briefe aufmachen, sie lesen und in Postkörbe schmeißen.“

Heute werden mit viel Aufwand Protokolle von Stadtratssitzungen angefertigt – auch das könnte automatisiert werden, wurde in der Diskussionsrunde deutlich. Die technische Entwicklung wirft aber auch Fragen auf: Wie kann Transparenz sichergestellt und KI reguliert werden? Entsprechende Gesetze fehlen bisher. Muss einer KI Moral beigebracht werden? Und wie sieht ein verantwortungsvoller Umgang mit Daten aus? Diese Debatten stehen noch am Anfang. Die Stadt Ulm hat immerhin bereits ein Datenethik-Konzept vorgelegt. Und der Deutsche Ethikrat hat im März eine Stellungnahme zu den Herausforderungen durch KI vorgelegt, die ausführlich auf die öffentliche Verwaltung eingeht.

Eines immerhin müssen Verwaltungsangestellte wohl nicht befürchten: Dass sie durch KI überflüssig werden. KI sei ein Werkzeug, der Entscheidungsträger bleibe ein Mensch, sagte Expertin Hein. Murrack betonte: „Wir brauchen künftig ähnliche Mitarbeiter wie heute, nämlich mitdenkende Mitarbeiter.“ Und Spitzer prophezeite: Expert*innen würden nicht durch KI ersetzt. Doch Expert*innen, die keine KI nutzen, würden durch solche ersetzt, die Künstliche Intelligenz einsetzen.