Bundesweite Demonstrationen

„Zum Kotzen”: Kommunalpolitiker*innen sprechen Klartext gegen rechts

Carl-Friedrich Höck22. Januar 2024
Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (mitte) auf einer Demonstration am vergangenen Sonntag.
In zahlreichen Städten haben Menschen am Wochenende gegen die AfD demonstriert. Auch viele Bürgermeister*innen und andere Kommunalpolitiker*innen positionierten sich mit deutlichen Worten gegen Rechtsextremismus.

Hunderttausende Menschen sind in Deutschland am Wochenende auf die Straße gegangen, um ein Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen. Zuvor hatte die Rechercheplattform Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremen – darunter der AfD – in Potsdam berichtet. Bereits am Freitag musste eine Kundgebung in Hamburg abgebrochen werden, weil zu viele Menschen gekommen waren. Die Polizei berichtete von 50.000 Demonstrant*innen, die Veranstalter*innen von 80.000. Auch in München endete eine Demo am Sonntag wegen des großen Andrangs vorzeitig. Hier zählte die Polizei 100.000 Teilnehmende, die Veranstalter*innen 250.000. In Berlin demonstrierten ebenfalls mindestens 100.000 Menschen gegen rechts (laut Veranstalter*innen 350.000). Größere Demonstrationen gab es zudem in Frankfurt, Hannover, Köln, Bremen, Leipzig, Kassel, Halle und weiteren Städten.

Städtetag verteidigt Menschenwürde

Gegenwind verspüren Rechtsextremist*innen auch aus Rathäusern. Viele Kommunalpolitiker*innen haben sich in den vergangenen Tagen deutlich positioniert. Der Deutsche Städtetag hat eine „Trierer Erklärung“ verfasst. Darin heißt es: „Das jüngst bekannt gewordene Treffen von AfD-Funktionären mit Mitgliedern der Identitären Bewegung und die dort diskutierte Deportation von Millionen Menschen aus Deutschland hat uns alle schockiert. Wir nehmen es nicht hin, dass rechtsextreme Kräfte eine Atmosphäre der Verunsicherung, der Angst und des Hasses in unserem Land und in unseren Städten schüren.“ Demokrat*innen müssten Streit aushalten und Widerspruch akzeptieren. „Was wir nicht akzeptieren, ist, wenn der Kern unserer Verfassung und die Basis unseres Zusammenlebens angegriffen wird: die Würde des Menschen.“

Das parteiübergreifende „Netzwerk Junge Bürgermeister*innen“ veröffentlichte ebenfalls eine Erklärung (hier als PDF). „Als junge Bürgermeister*innen stehen wir gemeinsam für die Werte der Vielfalt, Toleranz und des respektvollen Miteinanders“, schreibt das Netzwerk. „Besorgt nehmen wir die Deportationspläne rechtsextremer Aktivisten rund um die AfD wahr, die darauf abzielen, Menschen aufgrund ihrer Herkunft zu diskriminieren und zu vertreiben.“ Solche Bestrebungen lehne man entschieden ab, heißt es in dem Text, den mehr als 110 Bürgermeister*innen unterschrieben haben.

Kundgebung macht Münchens OB Reiter stolz

In der bayerischen Landeshauptstadt zeigte sich Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) am Sonntag „überwältigt von dem Zeichen, das die Münchnerinnen und Münchner heute für die Demokratie und gegen Rassismus, Antisemitismus und rechte Hetze gesetzt haben.“ Laut BR sagte er weiter: „Das sind die Momente, wo ich stolz bin, Münchener Oberbürgermeister zu sein: wenn hunderttausende Menschen hier sind, die sich gegen diese Politik, gegen diesen Rechtsruck in der Politik in Deutschland, in Bayern, aber auch in München wenden.“

In Hamburg beteiligte sich der Erste Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) an der Demonstration gegen Rechtsextremismus und neonazistische Netzwerke. Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (ebenfalls SPD) nannte es „überwältigend“, dass sich zehntausende Menschen in Hamburg dem Rechtsruck entgegenstellten. Sie erklärte: „Hamburg ist eine weltoffene Stadt. Eine Stadt der Toleranz. Hier sind alle willkommen! Auch Schutzsuchende. Hier ist kein Platz für Rassismus.“

OB Jung verurteilt rassistische Zitate

In Leipzig hatten mehrere Stadtratsfraktionen zum Protest gegen Rechtsextremismus mit aufgerufen. Während der Kundgebung sprach Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) zu den Demonstrierenden. Wie die Leipziger Volkszeitung berichtet, verlas Jung rassistische Zitate von AfD-Politiker*innen und kommentierte: „Hierzu fällt mir nichts ein außer: Es ist zum Kotzen!“

Für Bürgermeister*innen sind Äußerungen zum Thema Rechtsextremismus oft ein juristischer Drahtseilakt. Denn Amtsträger*innen unterliegen einem Neutralitätsgebot. Das heißt, sie dürfen sich im Rahmen ihrer Amtsausübung nicht einseitig zugunsten oder zulasten einer politischen Partei äußern. Zum Beispiel ist es einem Bürgermeister untersagt, Pressemitteilungen seiner Stadtverwaltung zu nutzen, um Wahlwerbung für seine Partei zu machen. Gleichzeitig sind Bürgermeister*innen aber auch Repräsentant*innen des Staates. Sie sollen die Verfassung und damit die freiheitliche demokratische Grundordnung schützen.

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