Arbeiten in den Kommunen

Lokales Bündnis für mehr Kita-Personal

Harald LachmannKarin Billanitsch29. Dezember 2017
Kinder eine integrativen kindertagesstätte spielen im Wald. Sachsen rangiert beim Personalschlüssel weit hinten im Vergleich mit anderen Bundesländern.
Initiative „Die bessere Kita“ in Sachsen fordert bessere Betreuungsschlüssel und Bedingungen für das pädagogische Personal.

So geht sächsisch“, bewirbt sich der Freistaat seit Jahren selbst. Man preist sich als „Land der Macher“. Doch das Bündnis „Die bessere Kita“ konterkariert diesen Slogan: „So geht sächsisch nicht!“ Die Akteure der Graswurzelinitiative – eines Bündnises aus Eltern, Pädagogen, Sozialarbeitern sowie der Liga der freien Wohlfahrtspflege – haben es sich zum Anliegen gemacht, der frühkindlichen Bildung in Sachsen endlich den „ihr zustehenden Stellenwert zu erkämpfen“.

Problem: Zu wenig Fachpersonal

Eine Aktion, die bundesweite Probleme berührt: So existiert zwar inzwischen ein Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz, aber selbst dort, wo geeignete Einrichtungen entstanden sind, gibt es noch viel zu wenig Fachpersonal. Bundesweit fehlten zuletzt 40.000 Erzieher und 25.000 Tagesmütter/-väter nach Schätzungen des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. „Der Markt für ErzieherInnen ist in den Ballungsräumen deutlich angespannt“, beobachtet auch Professor Thomas Rauschenbach vom Deutschen Jugendinstitut in München. Der Mangel wird sich voraussichtlich sogar verschärfen: Bis zu 329.000 zusätzliche pädagogische Fachkräfte werden in Krippen, Kindergärten und in der Grundschulbetreuung bis zum Jahr 2025 zusätzlich gebraucht. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des Forschungsverbunds DJI/TU Dortmund.

Professor Rauschenbach ist einer der Autoren. Er beschreibt das Problem: „Je mehr von den beiden ins Auge gefassten Zielen – Qualitätsoffensive und Rechtsanspruch für Grundschulkinder – umgesetzt werden, desto gravierender wird die Fachkräftelücke. Und je größer die personelle Lücke werde, umso mehr sei die Politik auf allen Ebenen von Bund, Ländern und Gemeinden – vielleicht auch auf Ebene der Bundesagentur für Arbeit – gefordert, „alles nur Erdenkliche zu tun, um zu einer drastischen Vermehrung von zusätzlichen Fachkräften beizutragen“. Dafür kann man an verschiedenen Stellschrauben drehen, die Rauschenbach beschreibt: etwa massive für diesen Berufsbereich werben, die Zahl der Hochschulausgebildeten aus den erziehungswissenschaftlichen und sozialpädagogischen Studiengängen steigern, wirkungsvolle Anreize für eine Stundenerhöhung vieler Teilzeitbeschäftigter setzen. Nicht zuletzt plädiert er auch für „eine spürbare Annäherung des Einkommens berufstätiger Fachkräfte in der frühen Bildung an die Vergütungsstruktur im Grundschul­bereich.“

„Solidarität pflegen“

Ostfilderns Bürgermeister Thomas Bolay bestätigt die Situation aus eigener Erfahrung: „Selbstverständlich stehen wir im Großraum Stuttgart genauso vor der Herausforderung, genügend Erzieherinnen und Erzieher zu gewinnen, sagt er im Interview gegenüber der DEMO. Gefragt, ob die Gesellschaft für solche Berufe nicht viel mehr Geld in die Hand nehmen solle, unterstreicht er: „Ich gönne jeder Erzieherin, jedem Erzieher jeden Cent, weil sie wirklich hart dafür arbeiten. Umgekehrt muss man auch sehen, dass wir im Arbeitgeberverband ­eine gewisse Solidarität pflegen. Wenn wir uns dort darauf verständigen, dass es ­eine Stufe hochgeht, würden wir uns nicht dagegen wehren.“

Sachsen indes hat in Sachen Kitapersonal viel aufzuholen: Es hat den bundesweit schlechtesten Betreuungsschlüssel und rangiert auch beim Personalschlüssel weit hinten. Dabei sei „genug Geld vorhanden“, so der SPD-Landtagsabgeordnete Mario Pecher jüngst bei einem Besuch im AWO Kinderhaus „Kuschelkiste“ in Zwickau. So flossen allein in obige Imagekampagne schon mehr als 32 Mil­lionen Euro, etwa für Großplakate. „Allein von diesen Millionen hätte man mehr als 200 Erzieherinnen und Erzieher fünf Jahre lang beschäftigen können“, weiß Jens Kluge. Er ist Leiter der Zwickauer „Kuschelkiste“ und zugleich Sprecher jener sächsischen Graswurzelinitiative, die nun die Aktion „Die bessere Kita“ anschob. Auch Juliane Pfeil-Zabel, familienpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, fordert mehr „gesellschaftlichen Druck, um den Erzieherberuf aufzuwerten“. Zu den Kernzielen der Initiative gehört etwa, dass pro Erzieher wöchentlich vier Stunden Vor- und Nachbereitungszeit angerechnet werden. Zudem fordert sie eine Landesstrategie zur Gewinnung, Bindung und Qualifizierung von Fachkräften sowie einen deutlich verbesserten Personalschlüssel. Auch Ausfallzeiten – etwa Praxisanleitungen, Qualifizierung, Krankheit, Urlaub – sollen auf diesen Schlüssel angerechnet werden.