Öffentlicher Dienst

Tarifverhandlungen in Zeiten von Corona

Carl-Friedrich Höck01. September 2020
„Jetzt seid ihr dran”, heißt es auf einem Verdi-Transparent im Berliner Regierungsviertel.
Am Dienstag beginnen in Potsdam die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen. Gewerkschaften wollen eine Lohnerhöhung von 4,8 Prozent durchsetzen. Die kommunalen Arbeitgeber nennen diese Forderung „ein falsches Signal in der Corona-Krise“.

Die Corona-Krise macht es den Gewerkschaften derzeit schwer. Das gilt auch für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen. An diesem Dienstag um 14 Uhr beginnen in Potsdam die Tarifverhandlungen für rund 2,4 Millionen Beschäftigte. Am Morgen desselben Tages vermeldet die Bundesagentur für Arbeit, dass im Juni 5,36 Millionen Menschen in Deutschland in Kurzarbeit gewesen sind. Und dass die Zahl der Arbeitslosen im August auf knapp drei Millionen gestiegen ist – 636.000 mehr als im Vorjahr. Vor diesem Hintergrund kommen Tarifverhandlungen für Gewerkschaften zur Unzeit.

Verdi verweist auf besondere Belastungen

Die DGB-Gewerkschaften Verdi, GEW, GdP und IG BAU gehen trotzdem selbstbewusst in die Gespräche. Sie fordern eine Lohnerhöhung von 4,8 Prozent, mindestens aber 150 Euro pro Monat. Auszubildende sollen mindestens 100 Euro mehr Gehalt bekommen. Verdi-Chef Frank Werneke verweist auf die besondere Belastung der Beschäftigten in der Pflege und im Gesundheitswesen durch die Pandemie. Das wolle man „ganz besonders behandelt wissen in dieser Tarifrunde“. Außerdem wolle man die Arbeitszeiten in Ost- und Westdeutschland angleichen. Bisher müssten die Kolleg*innen in Ostdeutschland pro Woche eine Stunde mehr arbeiten. Das Motto von Verdi für die anstehenden Verhandlungen lautet: „Wir halten den Laden am Laufen – jetzt seid ihr dran!“

Die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) hat die Forderungen umgehend als unangemessen zurückgewiesen. Sie seien „völlig überzogen und würden zu Mehrkosten in Höhe von mindestens 5,7 Milliarden Euro führen“, meint VKA-Präsident Ulrich Mägde. „Fakt ist: Die Lage der kommunalen Arbeitgeber ist wegen der Corona-Krise dramatisch. Wir haben massive finanzielle Einbrüche zu verzeichnen. Die Kassen sind leer, einen Verteilungsspielraum sehe ich nicht.“ Die VKA nennt den Vorstoß der Gewerkschaften „ein falsches Signal“.

Was genau die Gewerkschaftsforderungen kosten würden, lasse sich noch gar nicht exakt beziffern, merkt VKA-Hauptgeschäftsführer Niklas Benrath an. Denn es sei „völlig unklar, was am verlangten Verhandlungstisch im Gesundheitswesen und Pflegebereich zusätzlich gefordert werden wird.“

Kommunen wollen Planungssicherheit

Umstritten ist auch die Laufzeit des angestrebten Tarifvertrages. Die Gewerkschaften würden am liebsten einen „Übergangstarifvertrag“ abschließen, begrenzt auf zwölf Monate. Das lehnt die VKA ab, weil Bund und Kommunen Planungssicherheit bräuchten.

Zu einer schnellen Einigung wird es wohl nicht kommen. Nach dem Auftakt an diesem Dienstag sind weitere Verhandlungstermine am 19./20. September sowie am 22./23. Oktober geplant. Die DGB-Gewerkschaften haben in einer Pressemitteilung bereits angekündigt: Eventuell zu ergreifende Arbeitskampfmaßnahmen müssten „angesichts von Abstandsregelungen und Hygienemaßnahmen neu durchdacht werden“.

Landkreistag fordert „ein Stück weit Zurückhaltung”

Der Präsident des Deutschen Landkreistages Reinhard Sager erwartet schwierige Tarifverhandlungen. Es sei „unverantwortlich, wenn in Zeiten von kommunalen Steuerausfällen, Konjunktur- und Krisenbewältigungspaketen Milliardenforderungen an die Landkreise, Städte und Gemeinden gerichtet werden. Das ist nicht nur überzogen, sondern schlichtweg absurd.“ Die kommunalen Bediensteten hätten gerade in der Pandemie hervorragende Arbeit geleistet. Doch angesichts geringerer kommunaler Einnahmen sollten sich die Gewerkschaften „zumindest ein Stück weit in Lohnzurückhaltung üben.“

Betroffen von den Verhandlungen sind laut Verdi gut 2,2 Millionen Tarifbeschäftigte des öffentlichen Dienstes der Kommunen und ihrer wirtschaftlichen Betriebe und Unternehmen sowie rund 140.000 Tarifbeschäftigte des Bundes. Hinzu kommen 81.000 Auszubildende im Bereich der VKA und 6.000 Auszubildende im Bereich des Bundes sowie 7.000 Praktikant*innen im Bereich der VKA. Insgesamt werden demnach gut 2,4 Millionen Menschen von der Tarifrunde erfasst.

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