Interview zu Social Media

„Viele Menschen erreicht man über die klassischen Wege nicht mehr”

Carl-Friedrich Höck10. Mai 2017
Simon Bujanowski, Fraktionsvorsitzender der SPD im Bezirk Köln-Porz
Für den Kölner Bezirkspolitiker Simon Bujanowski sind Facebook und Twitter ein zentraler Bestandteil der politischen Kommunikation. Warum das so ist, wie er die sozialen Netzwerke nutzt und was er an ihnen kritisch sieht, erzählt er im Gespräch mit der DEMO.

Herr Bujanowski, mit Ihren 32 Jahren gehören Sie ja selbst zur Zielgruppe von Facebook und Co. ...

Das stimmt. Für die ganz Jungen ist das nichts mehr, die sind eher auf Instagram und Snapchat unterwegs. Aber meine Generation nutzt Facebook und Twitter seit vielen Jahren.

Seit wann sind Sie auf Facebook und Twitter aktiv, und warum?

Privat nutze ich Facebook seit 2007. Damals stand der soziale Netzwerkgedanke im Vordergrund: Meine Freunde waren dort oder wechselten nach und nach von StudiVZ rüber. Seit 2015 habe ich zudem eine professionelle Facebook-Fanseite als Politiker. So kann ich das Private von dem Politischen besser trennen. Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht – Privatsphäre muss sein, und umgekehrt wollen meine engen Freunde nicht ausschließlich Statements zur Porzer Kommunalpolitik lesen. Auf Twitter bin ich noch nicht so lange, erst seit 2015.

Welche Rolle spielen welche Sozialen Medien für Ihre politische Kommunikation?

Grundsätzlich eine große. Das klassische Geschäft ist und bleibt wichtig – auf Veranstaltungen gehen, Pressemitteilungen und Anträge schreiben, präsent sein. Aber viele Menschen erreicht man über die klassischen Wege nicht mehr. Auf Bürgerbeteiligungs-Veranstaltungen kann ich die Zahl der Leute, die unter 30 sind, an einer Hand abzählen. Das ist schade, denn es heißt, dass sich junge Leute bei Beteiligungsprozessen zu wenig einbringen. Dabei geht es gerade um ihre Zukunft! Facebook ist sehr wichtig, um diese Menschen zu erreichen, die von den klassischen Formen der Bürgerbeteiligung nicht angesprochen werden. Und diejenigen, die vielleicht nicht die Lokalzeitung lesen oder einfach keine Zeit haben, auf eine Bürgerbeteiligung zu gehen.

Welche Vorteile haben Facebook und Twitter gegenüber anderen Kommunikationswegen – von der jungen Zielgruppe abgesehen?

Ein großer Vorteil ist die direkte Interaktion! Man sendet hier keine Botschaften ins Off, und als Reaktion kommt maximal ein Leserbrief. Stattdessen kann ich als Kommunalpolitiker direkte Fragen stellen und bekomme direkte Antworten. Auf Facebook nehmen mich viele Menschen nicht als weit entfernten Politiker wahr, sondern als „den Simon“. Die Hemmschwelle zu antworten ist niedriger. Und wenn ich darauf reagiere, sehen das auch andere, die sich dann ermutigt fühlen, es auch mal zu versuchen. Natürlich gab es früher auch mal eine E-Mail oder Debatten auf Bürgerforen, aber das hat sich eben in einem sehr viel kleineren Kreis abgespielt.

Allerdings kann es zu sogenannten Filterblasen kommen: Möglicherweise folgen Ihnen auf Facebook nur diejenigen, die sowieso SPD wählen.

In der Mehrheit sind das sicher Menschen, die mir oder der SPD gegenüber positiv eingestellt sind. Aber gerade bei kontroversen Themen – wie der Flüchtlingskrise oder der doppelten Staatsbürgerschaft – melden sich auch Nutzer, die eine ganz andere Meinung haben. Das führt zu spannenden Diskussionen. Bisher haben die Kritiker auch meist sachlich und mit guten Argumenten geantwortet.

Mit einer Fan-Seite kann man seine Facebook-Beiträge gegen Geld bewerben und so mehr Leute erreichen. Machen Sie das?

Ja, ab und zu – bei Themen, die besonders viele Menschen betreffen. Als Kriterium gebe ich dann meistens den Ort ein. Dann bekommen gezielt Facebook-Nutzer aus Porz oder Poll das angezeigt. Das ist eine gute Möglichkeit, gerade auf kommunaler Ebene Bürger zu erreichen, und die Kosten sind recht günstig.

In einem Video auf Facebook ruft Bujanowski zur Bürgerbeteiligung auf.

Was für Nachteile haben Facebook und Twitter gegenüber anderen Kommunikationskanälen?

Es ist sehr schnelllebig. Und man kann die Themen nicht so ausführlich erklären wie in einem persönlichen Gespräch, sondern muss sie sehr zuspitzen – auf Twitter sowieso, das ja auf 140 Zeichen beschränkt ist, aber auch auf Facebook. Das führt dazu, dass man komplexe Themen so verallgemeinern muss, dass nicht für alle Details Platz ist. Ein Beispiel ist mein Facebook-Video zur Bürgerbeteiligung für das Bauprojekt Porz-Mitte. Das hat viele einzelne Aspekte, und zu jedem kann man stundenlang diskutieren. Aber ich habe in dem Video nur 90 Sekunden Zeit, die Grundzüge zu erklären. Und das ist schon lang: Idealerweise sollen solche Videos unter einer Minute bleiben, weil sie sonst fast keiner bis zum Schluss anschaut.

Wieviel Zeit wenden Sie für Social Media-Kommunikation auf?

Offen gesagt: Ich weiß es gar nicht. Man setzt sich ja nicht an den Schreibtisch und macht von 16 bis 18 Uhr Social Media. Ich denke diesen Aspekt bei allen Aktivitäten mit und schreibe die Beiträge von unterwegs mit dem Handy, meist direkt nach einer Veranstaltung. Auch das ist übrigens ein Vorteil des Mediums: Es ist zeitnah, mit einem aktuellen Foto kann ich die Follower quasi live mitnehmen. Aufwendiger sind natürlich Aktionen wie das Video, über das wir eben gesprochen haben – hierfür hatte ich aber Unterstützung von zwei Freunden.

Sind Sie auf Facebook oder Twitter mal in ein Fettnäpfchen getreten?

Shitstorms sind mir bisher erspart geblieben. Aber was mir schon passiert ist: Wenn man zu tief in einem Thema drin steckt und dann zugespitzt seine Botschaft vermitteln will, kann es passieren, dass die Leser nicht verstehen, worum es eigentlich geht, weil sie das Thema gar nicht mitbekommen haben.

Schwierig ist auch, die richtige Balance zu finden, wie viel man postet. Ich persönlich mache lieber etwas weniger, dafür mit Mehrwert für die Leser. Also nicht nur ein schnelles Foto schießen und schreiben „bin jetzt bei Sitzung X mit Person Y“, das ist auf Dauer langweilig. Zumindest eine interessante Information sollte schon dabei sein.

Viele Politiker berichten von Hetze im Netz. Sind Sie schon einmal bedroht worden?

Zum Glück noch nicht. Das wundert mich etwas – im positiven Sinn – da ich ja auch die örtliche Flüchtlingsinitiative koordiniere, den Integrationskreis Poll.

Falls sich das eines Tages ändert – wie würden Sie mit Beschimpfungen oder Drohungen umgehen?

Ich versuche immer sachlich zu antworten. Natürlich ist es leichter, jemanden zu beleidigen, wenn der einem nicht gegenüber sitzt. Dennoch sollte man sich auf diesen Ton nie einlassen. Ich denke, viele Debatten im Netz würden anders verlaufen, wenn alle Beteiligten versuchen, auf der sachlichen Ebene zu bleiben und nicht persönlich zu werden. Allerdings: Wenn es jemand gezielt auf Beleidigungen oder auf homophobe, rassistische, diskriminierende Kommentare anlegt, dann hat er auf meiner Seite nichts verloren. Im Extremfall würde ich ihn dann sperren.

Wieviele Menschen erreichen Sie eigentlich mit Facebook – und haben Sie einen Tipp, wie sich mehr Leute erreichen lassen?

Der Fanseite folgen 600 Menschen, das ist schon ganz ordentlich. Einzelne Beiträge können sich aber auch darüber hinaus weit verbreiten, wenn sie die Nutzer interessieren. Auch die Form des Beitrags spielt eine Rolle. Das angesprochene Video hat 9000 Menschen erreicht. Generell verbreiten sich Fotos auf Facebook besser als Textbeiträge, und Videos noch besser als Fotos.