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Wie Heubach ein Zeichen gegen Glyphosat setzt

Frederick Brütting05. September 2019
Frederick Brütting, Bürgermeister der Stadt Heubach
Frederick Brütting, Bürgermeister der Stadt Heubach
Die Stadt Heubach in Baden-Württemberg wollte nicht länger zusehen. Nachdem die EU-Kommission die Zulassung für Glyphosat verlängert hatte, nahm der Gemeinderat die Sache selbst in die Hand. Mit neuen Pachtverträgen geht die Kommune gegen das Pflanzengift vor, erklärt Bürgermeister Frederick Brütting.

Seit Jahren wird in der Europäischen Union und in Deutschland über ein Verbot des Pflanzengiftes Glyphosat diskutiert. Das Pestizid steht im Verdacht Krebs zu erregen und trägt durch die Vernichtung von Ackerwildkräutern und dem daraus folgenden Rückgang von Nahrungsquellen und Lebensräumen für Insekten zum Verlust der biologischen Vielfalt bei.

Auf ein gesetzliches Verbot wartet man aber bisher vergeblich. Ende 2017 stimmte die EU-Kommission mit der Stimme Deutschlands sogar für eine Verlängerung der Zulassung um weitere fünf Jahre. Diese Entscheidung nahm man in der Stadt Heubach (10.000 Einwohner/Ostalbkreis) zum Anlass die Sache selbst in die Hand zu nehmen.

Thema bewegt die Menschen

Nach dem Motto „Global denken – lokal handeln“ diskutierte der Gemeinderat beim Tagesordnungspunkt „Einsatz von Pestiziden auf landwirtschaftlichen Flächen der Stadt Heubach“ in öffentlicher Sitzung ausführlich über die Verwendung von Glyphosat und Neocotinoiden (Insektizide). Dass das Thema auch die Bevölkerung bewegt, zeigte schon der übervolle Ratssaal an diesem Abend. Um ein ausgewogenes Meinungsbild zu bekommen, waren der  Vorsitzende des Bauernverbandes Ostalb und der Regionalgeschäftsführer des BUND Ostwürttemberg eingeladen, die ihre unterschiedlichen Positionen zum Thema dem Gemeinderat vorstellten. Der Vertreter des BUND hob zunächst auf die generellen Gründe für Insektensterben und Artenschwund ab und ging dann auf die Gefahren des Pestizideinsatzes ein. Glyphosat stellt seines Erachtens ein generelles Risiko für Mensch, Umwelt und Artenvielfalt dar. Es finde sich mittlerweile nicht nur im Wasser, sondern auch in Lebensmitteln, was besorgniserregend sei.

Dass es auch ohne Glyphosat geht, zeigen die rund 15 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe (v.a. Kleinbauern, Erzeugergemeinschaften und die 18.000 Ökobetriebe) in Deutschland. Der Vertreter des Bauernverbandes stellte hingegen heraus, dass Glyphosat vor allem bei genveränderten Pflanzen in großen landwirtschaftlichen Betrieben in den USA und Kanada auf fast erntereifen Pflanzen zum Einsatz komme. Dies müsse unbedingt unterbunden werden. In Deutschland werde Glyphosat zum einen sehr selten und zum anderen vor allem aus fruchtfolgebedingten Gründen vor der Aussaat auf dem bloßen Acker ausgebracht, um diesen von hartnäckigem Unkraut zu befreien. Glyphosat gelange hier nicht in die Nahrungsmittelkette und es bestehe auch kein Zusammenhang mit dem Insektensterben, wenngleich es sinnvoll wäre, mehr Blühwiesen stehen zu lassen. Nach diesen beiden fachlichen Einführungen in die Thematik, folgte eine der bisher spannendsten Diskussionen im Heubacher Gremium. Dabei war man sich im Kern einig, dass ein Verzicht auf Glyphosat wünschenswert ist. Allerdings dürfe dies in Heubach nicht über die Köpfe der Landwirte hinweg erfolgen, die ihr Geld damit verdienen müssen und eine einseitige Benachteiligung wurde auch kritisch gesehen.

„Schwäbischer Deal”

Nach ausführlicher Diskussion beschloss der Gemeinderat auf Vorschlag des Bürgermeisters einstimmig, bei den neu abzuschließenden Pachtverträgen für die Ackerflächen der Stadt Heubach zwei Varianten anzubieten: Zum einen den bisherigen Vertrag mit neuen Pachtpreisen und zum anderen, bei im Vertrag festgeschriebenem Verzicht auf Glyphosat sowie einem generell sparsamen Einsatz von Pestiziden, eine 100prozentige Pachtfreiheit. In diesem „Schwäbischen Deal“ (so eine Kommentar auf Facebook zum Thema) kommt sowohl der Wille der Kommunalpolitik zum Ausdruck, dass Pestizide nicht zum Einsatz kommen, es wird aber auch auf die Situation der Heubacher Landwirte vor Ort Rücksicht genommen.

Im Nachgang war es spannend, ob die Landwirte mit städtischen Ackerflächen zukünftig tatsächlich auf Glyphosat verzichten, oder ob sie an ihrer bisherigen Praxis festhalten werden. Mittlerweile ist klar: Alle Landwirte haben den Vertrag unterzeichnet, der den Verzicht vorschreibt! Damit sind nun alle städtischen Ackerflächen (ca. 50 Hektar) glyphosatfrei. Die Stadt verzichtet, wie angekündigt, im Gegenzug auf jährlich ca. 4.762 Euro an Einnahmen aus der Pacht. Neben der tatsächlichen Reduzierung des Pflanzengiftes auf der Heubacher Gemarkung haben die öffentliche Diskussion, der Beschluss und die breite Berichterstattung auch ein Zeichen für eine biologische Landwirtschaft gesetzt (Heubach ist Teil der Bio-Musterregion). Darüber hinaus ist sehr deutlich geworden, dass man auch bei globalen Fragestellungen, Antworten vor Ort finden kann.

 

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