Gesetz zur beschleunigten Vergabe: Kommunen warnen vor Mehrbelastung
Ein neues Vergabegesetz soll Prozesse spürbar beschleunigen. Expert*innen diskutierten den Entwurf im Wirtschaftsausschuss des Bundestags. Der Vertreter der Kommunen äußerte starke Zweifel, ob das Gesetz seine Ziele erreichen kann.
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Der Weg durch die Paragrafen des Vergaberechts soll erleichtert werden – das erhofft sich zumindest die Bundesregierung von ihrem Gesetzentwurf. (Symbolfoto)
Öffentliche Beschaffung soll schneller, einfacher und flexibler werden. Das ist das erklärte Ziel der Bundesregierung. Ihr Entwurf für ein „Gesetz zur Beschleunigung der Vergabe öffentlicher Aufträge” wurde am 10. November im Wirtschaftsausschuss des Bundestages von diversen Expert*innen kommentiert. Wesentliche Inhalte des Gesetzes: Die Wertgrenze für Direktaufträge des Bundes soll auf 50.000 Euro erhöht werden. Die Regierung plant, Nachweis- und Dokumentationspflichten zu reduzieren und Nachprüfungsverfahren zu beschleunigen. Mit mehreren Maßnahmen soll es mittelständischen Unternehmen, Start-ups und „innovativen” Unternehmen erleichtert werden, an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen. CDU, CSU und SPD hoffen, dass das Gesetz auch die Kommunen als öffentliche Auftraggeber entlastet.
Die Urteile über den Entwurf konnten nicht konträrer sein. Professor Martin Burgi lobte den Entwurf „vollumfänglich“. Er vertrat die Forschungsstelle für Vergaberecht und Verwaltungskooperationen an der Universität München und war sich sicher, dass ein solches Lob von wissenschaftlicher Seite „selten vorkommt“. Das Gesetz werde seine Ziele erreichen, zeigte er sich im Wirtschaftsausschuss des Bundestags überzeugt. Es werde die Verfahren beschleunigen und kleinen Unternehmen und Handwerksbetrieben die Chance verbessern, öffentliche Aufträge zu ergattern. Kommunen erhielten „mehr Angebote, mehr Qualität und mehr Auswahl“, so Burgi. Allerdings sieht er die Gefahr, das kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) sowie Handwerksbetriebe vom Wettbewerb ausgeschlossen werden könnten.
Diskussionsstoff bot die sogenannte Losvergabe. Der Losgrundsatz im Vergaberecht (§ 97 GWB) regelt, dass Aufträge in mehrere kleinere Aufträge (Fach- oder Teillose) aufgeteilt werden müssen. So sollen auch mittelständische Unternehmen eine Chance erhalten, an öffentliche Aufträge zu kommen. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass bei dringlichen Infrastrukturvorhaben, die aus dem Sondervermögen Infrastruktur und Klimaneutralität finanziert werden, vom Losgrundsatz abgewichen werden darf.
Martin Burgi verteidigte den Losgrundsatz und verwies auf empirische Daten: „Losvergabe erhöht Wettbewerbsintensität und sichert KMU-Beteiligung.“
Kommunen kritisieren das Gesetz
Vehementen Widerspruch äußerte Bernd Düsterdiek, der die kommunalen Spitzenverbände vertrat. Der Entwurf sei „unzureichend und praxisfern“. Er gehe in die völlig falsche Richtung und schade den Kommunen. Er forderte, den Losgrundsatz stärker zu flexibilisieren, als es der Gesetzentwurf vorsieht. Bisher dürfen Kommunen nur aus wirtschaftlichen oder technischen Gründen mehrere Teillose zusammenlegen. Die kommunalen Spitzenverbände wünschen sich eine Regelung, mit der auch zeitliche oder sachliche Gründe dies rechtfertigen.
Düsterdieks Kritik bezog sich auch darauf, dass die Bundesregierung Gesamtvergaben nur bei sehr großen Infrastruktur-Projekten zulassen möchte. Düsterdiek sah darin keine Arbeitserleichterung für Kommunen. Kleinere Bauvorhaben – etwa Schulen oder Kindergärten – müssten weiterhin in zahlreiche Teil-Lose zerlegt werden. Das führe zu mehr Bürokratie und Verzögerungen.
„Gerade kleine Kommunen werden durch die strengen Vorgaben überfordert“, heißt es in der Stellungnahme der Spitzenverbände. Besser wäre es, die Ausnahme nicht auf Großprojekte zu beschränken. Sie solle auch für kleinere kommunale Infrastruktur-Vorhaben gelten. Nach dem Gesetzentwurf können Auftraggeber Unternehmen verpflichten, kleine und Mittelständische Unternehmen bei Unteraufträgen zu berücksichtigen.
Möglichkeiten für Kooperationen bei der Vergabe
Auch die geplanten Statistik- und Berichtspflichten stoßen auf Widerstand. Trotz einer leichten Anhebung der Wertgrenzen für Direktvergaben befürchten Kommunen zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Zudem sehen Expert*innen die geplante Ermächtigung zur klimafreundlichen Beschaffung kritisch, da sie die kommunale Selbstverwaltung einschränken könnte. Positiv bewertet wurden einzelne Erleichterungen, etwa die Möglichkeit, Bau- und Planungsleistungen gemeinsam zu vergeben oder Unterlagen nachzureichen. Dennoch bleibt die Bilanz gemischt: Während der Entwurf Schritte zur Modernisierung enthält, sehen Kommunen die Gefahr, dass neue Pflichten die Verfahren eher verlangsamen als beschleunigen.
Die Kritik des Rechtsanwalts Professor Stefan Hertwig zielte in eine ähnliche Richtung. Die geplante Einschränkung, Gesamtvergaben nur bei sehr großen Infrastrukturvorhaben zuzulassen, betrachtete er als „nicht rechtssicher“. Er empfahl eine „Rückkehr zur Formulierung, dass auch zeitliche Gründe eine Gesamtvergabe rechtfertigen können“. Der Zuschlag solle zudem erst nach Ablauf der Beschwerdefrist erfolgen, so eine weitere Empfehlung, den Entwurf zu korrigieren. Ansonsten bliebe ein Risiko: Auftraggeber müssten hohe Schadensersatzforderungen leisten, wenn sich ein Bieter im Beschwerdeverfahren durchsetze.
Tariftreue-Versprechen vor Vergabe prüfen
Hertwig forderte zudem, dass es im Gesetz eine Vorschrift geben müsse, die Einhaltung eines Tariftreue-Versprechens zu prüfen. Wenn der Angebotspreis so niedrig sei, dass ein entsprechender Verdacht aufkomme, müsse der Auslober dem nachkommen. Dieser Hinweis wurde insbesondere von den beiden Gewerkschaftsvertretern im Ausschuss begrüßt. Kommunen arbeiten gerne mit Unternehmen zusammen, die sich bereits aus vorangegangenen Projekten kennen und schätzen gelernt haben. Hertwig möchte aber, dass das Vergabegesetz auch neuen Unternehmen oder Start-ups Chancen gibt, an Aufträge zu kommen. Eine Lösung sah er darin, Referenz-Zeiträume auszuweiten und die Bündelung von Referenzen zuzulassen, um KMUs und Newcomern die Teilnahme zu erleichtern.
Weitere Informationen zum Gesetzentwurf und zur Anhörung:
bundestag.de
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ist freier Journalist. Er ist Mitglied im Verein Deutsches Institut für Normung und dort im Redaktionskreis für eine DIN Einfache Sprache. Webseite: leichtgesagt.eu