Saubere Luft in Städten

2. Diesel-Gipfel: eine Milliarde für Mobilitätswende

Karin Billanitsch04. September 2017
Eine Szene des öffentlichen Busverkehrs in Berlin. Bei dem 2. Dieselgipfel in Berlin ging es unter anderem darum, wie kommunale Fahrzeugflotten umgerüstet oder modernisiert werden können.
Der Bund hat den Mobilitätsfonds um weitere 500 Millionen Euro für die Kommunen aufgestockt. Besonders belastete Kommunen können bei Maßnahmen für nachhaltigere Mobilität unterstützt werden. Teilnehmende Oberbürgermeister begrüßten die Förderung, aber machten deutlich, dass die Kommunen es nicht allein stemmen können.

Der „Mobilitätsfonds“ für die Kommunen wird mit Geldern des Bundes auf eine Milliarde Euro aufgestockt. Diese Entscheidung verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach dem zweiten Diesel-Gipfel. Zu dem erneuten Spitzentreffen waren die Oberhäupter von rund 30 Städten eingeladen, deren Luft besonders mit Stickstoffoxiden belastet ist. Auch Vertreter der kommunalen Spitzenverbände sowie die Regierungschefs von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Sachsen nehmen an dem Spitzentreffen teil. Auf der Themenagenda stand, wie Fahrverbote, die in vielen deutschen Städten drohen, noch kurzfristig verhindert werden können, und was die Kommunen auch mittel und langfristig tun können, um die Luftqualität zu verbessern.

Neue Koordinierungsstelle

Das Geld aus dem Fonds soll dazu dienen, die Kommunen zu unterstützen, nachhaltige Mobilitätskonzepte zu erarbeiten. Es wird eine übergreifende Koordinierungsstelle geben, die Kommunen berät. Zum Beispiel kann die Infrastruktur für E-Mobilität verbessert oder der ÖPNV attraktiver gemacht werden, es soll um Verkehrsführung, Verkehrsleitung, Ausbau von Fahrradwegen Parkplätze und Strategien zur Bewältigung des wachsenden Lieferverkehrs in den Städten gehen. Insbesondere sollen die Kommunen ihre Fuhrparks erneuern und Diesel umrüsten oder durch Elektrobusse ersetzen. Ein Prozent der Fahrzeuge in Deutschland sind Busse, sie sind aber verantwortlich für 20 Prozent der Ausstöße, hieß es.

Ursprünglich war der Mobilitätsfonds bei dem 1. Dieselgipfel im August mit 500 Millionen ausgestattet worden, 250  Millionen Euro soll die Autoindustrie beitragen. Insgesamt waren die beschlossenen Maßnahmen vom Umweltbundesamt als nicht ausreichend kritisiert worden. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) betonte, „es muss ein substanzieller Beitrag von der Autoindustrie kommen.“ Es dürften auch mehr als 250 Millionen Euro sein. „Die Zeit drängt“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel und betonte, dass alles denkbar Mögliche unternommen werden soll, um Fahrverboten in den deutschen Städten vorzubeugen. Dabei seien sich alle Teilnehmer einig. Der Deutsche Städtetag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund hatten in Interviews mehr Geld gefordert.

Gabriel: „Städte und Gemeinden nicht allein lassen“

Sigmar Gabriel (SPD) betonte: „Es ist wichtig, dass wir die Städte und Gemeinden in Deutschland nicht mit dieser Aufgabe alleine lassen.“ Er findet die Maßnahmenliste vernünftig für die Reduktion von Feinstaub, NOx und CO2, dafür könnten eine Reihe von Instrumenten genutzt werden, die in dem Papier der Bundesregierung aufgelistet werden. Aber, ist Gabriel überzeugt, werden wir „am Ende nicht umhin können, auch realistische Strategien für den Individualverkehr zu erarbeiten.“ Er warnt aber davor, Verbrennungsmotoren per se zu verdammen. Die Elektromobilität werde steigen, „aber wir werden den Verbrennungsmotor als Brückentechnologie brauchen“, sagte Gabriel.

Bei dem Treffen wurde deutlich, wie unterschiedlich die Interessen der Städte sind, und es die Schwierigkeit sein wird, allen gerecht zu werden. München hat andere Probleme als eine Stadt im Ruhrgebiet, die zu 50 Prozent Dieselbusse hat. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller, fand das Treffen gut und richtig. Aber „Es muss deutlicher und schneller vorangehen, wenn wir Fahrverbote oder andere erhebliche Eingriffe vermeiden wollen“, so Müller. Berlin will 2050 klimaneutrale Stadt sein – „dafür tun wir selbst sehr viel“, sagte Müller. Aber der private PKW-Verkehr und der Diesel spielten auch eine Rolle, betonte Müller. „Nur über den Umbau der Mobilitätsangebote und die Nachrüstung der öffentlichen Busflotte werden die Ziele nicht erreichbar sein.“

Michael Müller: „Mehr Initiative der Autoindustrie“

An die Adresse der Autoindustrie schickte Müller die Botschaft, dass er deutlich mehr Initiative der Automobilbranche erwartet: Bei den Busflotten haben Hamburg und Berlin im letzten Jahr eine Einkaufsgemeinschaft beschlossen, weil sie ab 2020 auf Elektrobusse umstellen werden. 200 E-Busse pro Jahr sollen angeschafft werden – bislang fehlen die entsprechenden Angebote der Industrie. Müller: „Da muss mehr passieren, wenn wir die Klimaziele erreichen wollen.“ Es forderte darüber hinaus eine dauerhaft verankerte Unterstützung der Kommunen bei der Verkehrswende.

Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) begrüßte das Treffen. „Es ist dringend notwendig, dass die Städte an dem Lösungsprozess beteiligt werden.“ Sie seien nicht die Verursacher, müssten das Problem aber lösen, so Reiter. Es sei ihm gelungen als Vertreter Münchens klar zu machen, wie sich die Rollen verteilen: In München verursachten Diesel-PKW 75 Prozent der Emissionen, machte der OB deutlich. „Deshalb brauchen wir für diesen Bereich dringend Lösungen.“ Reiter warnte: Wenn wir nicht zügig handeln, werden wir von den Gerichten überrollt. Die Deutsche Umwelthilfe klagt bereits in mehr als 15 Städten für „Saubere Luft“. Für München, aber auch Stuttgart hat die DUH bereits Urteile erwirkt, wonach Fahrverbote ab 2018 als einzige wirksame Maßnahme gewertet werden.

Förderungen für den kommunalen Fuhrpark gefordert

Auch Michael Ebling, Mainzer Oberbürgermeister und Präsident des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU) zog ein Resümee des Gipfels: „Fahrverbote würden dem kommunalen Leben den Stecker ziehen. Kurzfristige Maßnahmen im kommunalen Fuhrpark müssen gefördert werden. Konkreter forderte er, die Nachrüstung und Umrüstung von Müllautos, Kehrmaschinen und Fahrzeugen im ÖPNVzu fördern, um kommunale Investitionen nicht zu entwerten. Zweitens könnte nach seiner Überzeugung ein Programm zur Anschaffung von 10.000 Bussen mit Erdgas, E- oder Wasserstoffantrieb die Luftschadstoffe reduzieren und gleichzeitig einen Schub für saubere Technologien auslösen. Zudem müssten die Bedingungen für den Um- und Ausbau der Stromverteilnetze und der Ladeinfrastruktur besser werden.

Ebling wies auch darauf hin, dass die Diskussion von Bund und Ländern hat sich bislang zu wenig an den sehr konkreten Vorschlägen und Maßnahmen der Kommunen orientiert, die alle bereits über Pläne zur Luftreinhaltung verfügen.