SGK-Delegiertenversammlung

Kühnert verspricht: SPD wird Kommunalen den Rücken freihalten

Carl-Friedrich Höck22. Januar 2022
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (aufgenommen im Juni 2021)
Viele Kommunalpolitiker*innen sehen sich Anfeindungen ausgesetzt. In der SPD-Parteizentrale erhalten sie Hilfe. Das versprach Generalsekretär Kevin Kühnert auf der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK.

Kevin Kühnert kennt die kommunalpolitische Arbeit. Bevor er im September in den Bundestag gewählt wurde, engagierte er sich jahrelang als Verordneter im Berliner Bezirk Tempelhof-Schöneberg. Nun soll er mit dafür sorgen, dass die Bande zwischen Kommunal- und Bundespolitik in der SPD möglichst eng geknüpft bleibt. Kühnert ist nicht nur Mitglied im Bundestagsausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen. Als neuer SPD-Generalsekretär gehört er auch dem neuen Vorstand der Sozialdemokratischen Gemeinschaft für Kommunalpolitik (Bundes-SGK) an.

„Demokratie wird herausgefordert”

Seinen ersten großen Auftritt in dieser Doppelfunktion hatte Kühnert am Samstag auf der Delegiertenversammlung der Bundes-SGK. In seiner Rede an die Delegierten warf er die Frage auf: Wie kann die Partei dafür sorgen, dass Menschen, die kommunalpolitische Arbeit verrichten, diese Entscheidung später nicht bereuen, sondern ihrer Arbeit mit Tatendrang und Freude nachgehen? Das sei nicht leicht zu beantworten. Denn die Demokratie und namentlich die Sozialdemokratie würden durch Corona-Leugner, Rechte und andere autoritäre Gruppen herausgefordert, angegriffen und angefeindet.

Kühnert erinnerte an eine Gesprächsrunde, die vor zwei Jahren von seinem Vorgänger Lars Klingbeil initiiert wurde. Dort sei es darum gegangen, institutionelle Antworten auf die Hasskampagnen zu finden, die seit 2015 vielerorts auf Kommunalpolitiker*innen eingeprasselt seien. Damals seien mehrere Genoss*innen von ihren Ämtern zurückgetreten, weil sie nicht genügend Schutz und Solidarität erfahren hätten, um „Shitstorms“ und andere Angriffe durchstehen zu können.

Parteizentrale soll ansprechbar sein

Kühnert erneuerte ein Versprechen, das die SPD damals als Partei abgegeben habe: „Unser vorderstes Interesse und unser Bestreben besteht darin, allen, die für die sozialdemokratische Sache und für die Demokratie insgesamt sich aufraffen und ihre wertvolle Zeit aufbringen, den Rücken freizuhalten.“ Die Parteizentrale wolle Ansprechpartnerin sein für diejenigen, die sich alleingelassen fühlen. „Wir haben Hilfstrukturen bei uns im Willy-Brandt-Haus eingerichtet, an die man sich wenden kann, und wo man praktische Unterstützung erfährt“, sagte Kühnert.

Das sei wichtig, damit die Kommunalen sich um gute Wohnpolitik, Raumordnung, Kinder- und Jugendpolitik und alles andere kümmern können, was Kommunalpolitik bereithalte.

Neue Aufgaben sollen auch finanziert werden

Gegenüber dem neugewählten SGK-Vorsitzenden Michael Ebling äußerte Kühnert den Wunsch, sich eng abzustimmen. Was die SPD sich als Partei und mit der Ampel-Regierung vorgenommen habe, sei ein ambitioniertes Programm. Es gehe darum, die Gesellschaft besser zu machen. Es gebe aber „nicht die Bundespolitik-Bundesrepublik und die Kommunalpolitik-Bundesrepublik, sondern es gibt nur eine Bundesrepublik Deutschland und nur eine Realität, in der wir uns bewegen.“ Deshalb könne es in der SPD kein Pingpong-Spiel der Verantwortlichkeiten geben. Projekte wie der Neubau von 400.000 Wohnungen pro Jahr oder der Abbau von kommunalen Altschulden könnten nur solidarisch gelingen.

Kühnert versprach, „dass wir darauf achtgeben werden, dass bei allen Aufgaben, die wir den Kommunen zuweisen, auch eine Antwort darauf erfolgt, wie die Finanzierung aussehen soll.“ Nicht jede Kommune sei von dem Glück geküsst, ein Unternehmen wie Biontech vor Ort – und entsprechend hohe Gewerbesteuereinnahmen – zu haben.

Daldrup erwartet große Transformationsprozesse

Für den engen Austausch zwischen Bundes- und Kommunalpolitik ist in der SPD auch Bernhard Daldrup zuständig. Der Abgeordnete aus Nordrhein-Westfalen fungiert als kommunalpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion. Während der SGK-Delegiertenversammlung skizzierte er die großen Herausforderungen, denen sich die Kommunen stellen müssten.

Politische Entwicklungen würden stärker als in der Vergangenheit in den Kommunen erfahrbar, meint Daldrup. Das betreffe etwa die Digitalisierung, den Klimawandel und die Globalisierung mit ihren Auswirkungen beispielsweise auf Lieferketten oder Zuwanderung.

Warnung vor Fehlentwicklungen

Der SPD-Abgeordnete diagnostizierte einerseits eine „spürbar höhere Verletzlichkeit der Gesellschaft“, auf der anderen Seite gehe es darum, sich auf die Transformation der Gesellschaft einzustellen. Da müsse die Kommunalpolitik eine wichtige Rolle spielen. Die klassischen Fragen der sozialen Gerechtigkeit blieben zudem erhalten. „Wenn Veränderungsgeschwindigkeit und Anpassungsfähigkeit so weit auseinanderklaffen, dass die Gesellschaft nicht mitkommt, dann kommt es zu Fehlentwicklungen“, sagte Daldrup.

Der SPD-Politiker will für die Erkenntnis werben, dass politische Kompromisse für die Menschen etwas erreichen können. Man müsse vermitteln, dass Kommunalpolitik nicht nur darüber entscheide, wie man Gelder verwendet. „Kommunalpolitik ist Gesellschaftspolitik“, sagte Daldrup. Deshalb brauche Kommunalpolitik auch Parteien vor Ort. Das sage er auch vor dem Hintergrund, dass es immer mehr parteiunabhängige Bewerber*innen gebe. Aber es gebe auch eine Gefahr von rechts, der man entschieden entgegentreten müsse.

Wie breit die Palette der Themen ist, die Bund und Kommunen gemeinsam angehen müssen, machte Daldrup zum Schluss seiner Rede deutlich. Er nannte die Entlastung bei den Sozialkosten, den Bau von Sozialwohnungen, die Sorge um durch Online-Handel gebeutelte Stadtteilzentren, den ÖPNV, den Ausbau von Ganztagsgrundschulen und vieles mehr. Die Herausforderungen seien groß, konstatierte Daldrup. „Aber wer soll es machen, wenn nicht wir?“

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