Häusliche Gewalt auf neuem Höchststand
In den vergangenen Jahren hat die statistisch erfasste Häusliche Gewalt stark zugenommen. Mehrheitlich sind Frauen betroffen. Doch trotz des neuen Gewalthilfegesetzes werden an den Frauenhäusern gespart, kritisieren Verbände.
IMAGO / Eibner
In Biberach macht eine Sitzbank auf das Thema Gewalt an Frauen aufmerksam und informiert über Anlaufstellen für Betroffene.
In der polizeilichen Kriminalstatistik steigt die Zahl der weiblichen Opfer von Gewalt- und anderen Straftaten weiter an. Diese Straftaten werden sowohl im analogen als auch digitalen Raum verübt. Das geht aus einem Bundeslagebild hervor, welches das Bundesinnenministerium, das Bundesfamilienministerium und das Bundeskriminalamt (BKA) am vergangenen Freitag (21.11.2025) veröffentlicht haben.
Starker Anstieg bei Häuslicher Gewalt
Im Jahr 2024 wurden in der Statistik 53.451 weibliche Opfer von Sexualdelikten erfasst – das sind 2,1 Prozent mehr als im Vorjahr. 308 Mädchen und Frauen wurden getötet (-8,9 Prozent). 18.224 Frauen und Mädchen waren Opfer digitaler Gewalt, beispielsweise durch Cyberstalking oder Online-Bedrohungen (+6 Prozent).
Im Jahr 2024 wurden in Deutschland 265.942 Menschen Opfer Häuslicher Gewalt, ein neuer Höchststand. Damit ist die Zahl der polizeilich registrierten Opfer Häuslicher Gewalt innerhalb der letzten fünf Jahre um insgesamt 17,8 Prozent gestiegen. Mehr als 70 Prozent der Opfer Häuslicher Gewalt sind weiblich.
Viele Taten finden im Verborgenen statt
Der Präsident des Bundeskriminalamtes Holger Münch erklärte: „Wir sehen hier allerdings nur das Hellfeld. Gerade bei Häuslicher Gewalt, die oft hinter verschlossenen Türen geschieht, gibt es ein hohes Dunkelfeld.“ Erste Ergebnisse einer Opferbefragung zeigten, dass nur ein Bruchteil der tatsächlich erlebten Gewalt zur Anzeige gebracht werde. „Darum müssen wir darauf hinwirken, dass mehr Betroffene den Mut finden, Taten anzuzeigen, um den Schutz und die Hilfe für Opfer zu verbessern“, forderte Münch.
Doch gerade beim Opferschutz beobachtet die Zentrale Informationsstelle Autonomer Frauenhäuser (ZIF) eine negative Entwicklung. Zwar solle ein neues Gewalthilfegesetz betroffenen Frauen leichteren Zugang zu Schutz garantieren. „Doch bis das Gesetz 2032 vollständig in Kraft tritt, scheint sich die Situation zu verschlechtern: Es gibt Hinweise, dass sich verschiedene Bundesländer aus der Finanzierung der Frauenhäuser zurückziehen werden“, meldet die Informationsstelle.
Frauenhausplätze sollen ausgebaut werden
Die ZIF erklärt dazu: Die Bundesländer seien bis Ende 2026 dazu verpflichtet, Bedarfsanalysen für die Umsetzung des Gewalthilfegesetzes in die Landesausführungsgesetze durchzuführen. Ab 2027 sollten die Bundesländer jährlich mindestens 112 Millionen Euro für den Ausbau von Frauenhausplätzen erhalten. Die Finanzierung steige bis zum Jahr 2036 auf jährlich 306,5 Millionen. Bis 2032 solle die Zahl der Schutzplätze dem Bedarf entsprechen.
Doch Frauenhausplätze fehlten schon jetzt und bürokratische Hürden brächten von geschlechtsspezifischer Gewalt betroffene Personen weiterhin in Lebensgefahr, so die ZIF. „Während Mitarbeitende von Frauenhäusern gefordert sind an Bedarfsanalysen teilzunehmen und über Kürzungen zu beraten, müssen sie Frauen und Kinder abweisen“, wird Esther Bierbaum von der ZIF in einer Mitteilung zitiert.
Frauenhäuser brauchen mehr Geld für laufende Kosten
Der Verein Frauenhauskoordinierung e.V. (FHK) warnt in diesem Zusammenhang vor einem Missverständnis: Weder die 2,6 Milliarden Euro, die vom Bund nach dem Gewalthilfegesetz schrittweise in den Ausbau des Hilfesystems flössen, noch die 150 Millionen Euro aus dem Sondervermögen, die von der Regierung für Sanierung und Modernisierung von Frauenhäusern vorgesehen seien, reichten aus, um das Hilfesystem bedarfsgerecht auszustatten.
Berechnungen zeigten, dass jährlich mehr als 1,6 Milliarden nötig seien, um allein die laufenden Kosten zu decken – wenn das Hilfesystem erstmal bedarfsgerecht ausgebaut wäre. „Die aktuell geplanten Investitionen des Bundes dürfen also lediglich der Startschuss sein – mehr aber auch nicht“, teilt FHK mit. Der Verein fordert die Bundesländer und Kommunen auf, die zukünftig steigenden laufenden Kosten zu finanzieren.
„Das Gewalthilfegesetz darf nicht als Sparmodell für Länder und Kommunen gesehen werden“, warnt FHK-Geschäftsführerin Sibylle Schreiber. Selbst eine gleichbleibende Finanzierung bedeute aufgrund von steigenden Kosten für Miete, Gehälter und Sachkosten eine faktische Kürzung.
Dirk Bleicker
ist Leitender Redakteur der DEMO. Er hat „Public History” studiert.