Bezahlbares Wohnen: Welche Wege Kommunen gehen können
Die Wohnungsnot spitzt sich zu: Hohe Kosten, fehlende Fachkräfte und steigender Bedarf bringen Kommunen an ihre Grenzen. Eine neue Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung zeigt Wege auf, wie Städte und Gemeinden trotz schwieriger Rahmenbedingungen bezahlbaren Wohnraum schaffen können.
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Der Wohnungsneubau bleibt jedes Jahr hinter dem prognostizierten Bedarf zurück. Der Wohnungsmangel ist ein großes soziales Problem vor allem in Ballungsräumen.
Es ist eines der drängendsten Themen in den Kommunen: der Mangel an bezahlbarem Wohnraum. Die Wohnkosten schrauben sich immer mehr in die Höhe. Die aktuellen Rahmenbedingungen – hohe Baukosten, teure Finanzierung und Fachkräftemangel – sind schwierig. Nun hat die Friedrich-Ebert-Stiftung eine Publikation zur „Schaffung von bezahlbarem Wohnraum“ für Kommunale veröffentlicht. Dass die Wohnungsfrage auch sozialer Sprengstoff ist, wird deutlich: „Die Entwicklung am Wohnungsmarkt verschärft soziale Spannungen“, schreiben Franziska Baumann, Expertin für kommunalen Wohnungsbau, und Svenja Bille-Liebner, Landesgeschäftsführerin der SGK Bayern in der Einführung der Publikation. Die Publikation beschränkt sich auf das Beispiel Bayern.
Kommunalen Wohnungsbau stärken
Auf dem Wohnungsmarkt sind die Kommunen wichtige Akteure, die mittels verschiedener Wege dazu beitragen können, die Wohnungsnot zu entschärfen. Ein Weg ist, den kommunalen Wohnungsbau stärker in den Blick zu nehmen, in einer Zeit, in der die Bautätigkeit schon seit Jahren hinter dem Bedarf zurückbleibt. Laut den jüngsten Zahlen des statistischen Bundesamts gab es 2024 238.500 Wohnungen mehr als zum Jahresende 2023. Im Zehnjahresvergleich zum Jahresende 2014 erhöhte demnach sich der Wohnungsbestand um 6,1 Prozent oder 2,5 Millionen Wohnungen. Das bleibt hinter dem prognostizierten Bedarf zurück: Diesen bezifferte das Bundesinstitut für Bau-, Stadt-, und Raumforschung (BBSR) im März diesen Jahres auf 320.000 neue Wohnungen. Vor allem die wachsenden Großstädte und angrenzende Landkreise leiden unter der Wohnungsnot.
In Bayern zeichnet sich seit Jahrzehnten der Trend ab, dass neuer Wohnraum immer mehr Flächen in Anspruch nimmt. „In Bayern werden seit den1980er-Jahren um die 85 Prozent aller neuen Wohngebäude als Ein- und Zweifamilienhäuser errichtet, 66 Prozentdavon als Einfamilienhäuser“, schreibt Professor und Mitautor Manfred Miosga unter Berufung auf das Bayerische Landesamt für Statistik. Das zentrale Defizit sei der dauerhaft günstige (Miet)wohnraum. Im ländlichen Raum kämpften viele sogar mit Leerstand. Er plädiert insgesamt für eine differenzierte Betrachtung des Bedarfs. Er wirbt für eine „aktive Wohnungspolitik“, die Wohnbedarfe und Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigt.
Ungenutzten Raum aktivieren
Vor allem für alternde Eltern, die alleine in großen Familienwohnungen leben, könnten von kommunalen Wohnungsbaugesellschaften Angebote für altersgerechtes Wohnen gemacht werden, schlägt der Wissenschaftler vor. 12 Prozent der Menschen in Deutschland geben laut Studien an, in einer Wohnung mit zu vielen Räumen zu wohnen. Auch ungenutzte Zimmer oder Einliegerwohnungen könnten durch Umbau im Bestand Tausch oder gemeinschaftliche Wohnformen aktiviert werden. Potenzial sieht Miosga auch durch Umnutzung von Bürogebäuden, Aufstockung oder Teilung von großen Ein- und Zweifamilienhäusern.
Miosga richtet die die Bundesregierung die Forderung, sie müsse den Mut aufbringen, den einfachen Schlachtrufen nach Expansion und Neubau zu widerstehen. „Sie muss den Kommunen schärfere Instrumente für eine bestandsorientierte, bedarfsgerechte und nachhaltige Wohnraumversorgungspolitik zur Verfügung stellen und eine Transformation der Bauwirtschaft hin zu klimapositiven Konzepten vorantreiben“, fordert der Wissenschaftler.
Hebel kommunales Planungsrecht
Als wichtigsten Hebel für Kommunen bezeichnet Mitautor Professor Stefan Schieren das Planungsrecht der Kommunen. Er stellt übersichtlich dar, welchen Einfluss der Gemeinderat durch das Aufstellen von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen nehmen kann und nennt Beispiele, wie bestehende Bebauungspläne überprüft werden können, „ob die getroffenen Festlegungen Wohnraum behindern“. Zum Beispiel kann Dachgeschossausbau als Ausnahme zur Höchstzahl der Geschosse zugelassen werden.
Der Professor für Sozialpolitik und Verwaltungswissenschaften stellt darüber hinaus fest, dass in vielen Städten und Gemeinden Bayerns „Wohnraum in großem Umfang“ nicht zur Verfügung stehe, weil er für den Fremdenverkehr gewerblich genutzt werde. Kommunen könnten beispielsweise per Satzung festlegen, wann sie eine Genehmigung versagen. Auch die Voraussetzungen, wann eine Genehmigung für andere als Wohnzwecke zu erteilen ist, werden erläutert, nämlich wenn das schutzwürdige private Interesse das Interesse am Erhalt des Wohnraums überwiegt. Allerdings zeige die jüngere Rechtsprechung, dass „darin eine Hürde liegt, die liegt die für die Genehmigungsbehörde nicht leicht zu überwinden ist“.
Gemeinschaftliche Wohnformen fördern
Ein Weg, wie Kommunen bezahlbare Wohnprojekte fördern können, ist die gezielte Vergabe kommunaler Grundstücke nicht über den Preis, sondern über ein bestimmtes Konzept. „Ein Konzeptvergabeverfahren sichert die Umsetzung der sozialpolitischen Ziele einer Kommune“, schreibt Mitautorin Anne Krims. Sie beschreibt gemeinschaftliche Wohnformen wie zum Beispiel in Baugenossenschaften und zeigt auf, wie eine Kommune diese fördern kann.
Ein weiterer Schwerpunkt der Publikation liegt auf der so genannten „Sozialgerechten Bodennutzung“ (Sobon). Dabei können Investor*innen an den Folge- und Infrastrukturkosten beteiligt werden, welche durch Planung und Baumaßnahmen ausgelöst werden. Dies vereinbaren die Beteiligten in städtebaulichen Verträgen. Die Stadt München ist hier Vorreiter.
Ralf Bauer
ist Redakteurin beim vorwärts-Verlag und schreibt für die DEMO – Das sozialdemokratische Magazin für Kommunalpolitik.