Jugendarbeit: Was „Streetwatcher“ in Weyhe bewirken
Ehrenamtliche „Streetwatcher“ in der Gemeinde Weyhe südlich von Bremen suchen präventiv Jugendliche an ihren Treffpunkten auf. Durch die regelmäßigen Gespräche werden Streit, Stress mit Anwohnern und Vandalismus weniger.
Ulf Buschmann
Gemeindejugendpfleger Melanie Rabe, Frank Seidel und Lara Meyer sind drei von aktuell 18 ehrenamtlichen „Streetwatchern“.
Samstagabend: Lara Meyer, Melanie Rabe und Frank Seidel sind mit einem Fahrzeug der Gemeinde Weyhe südlich von Bremen unterwegs. Ein kleiner Schriftzug auf der Heckklappe offenbart ihre Funktion. „Streetwatcher“ ist da zu lesen. Seit dem Jahr 2008 gibt es diese Gruppe Ehrenamtlicher bereits, die von April bis Oktober die Plätze aufsuchen, an denen sich Jugendliche treffen. Das Ziel: mit den jungen Leuten im Gemeindegebiet auf Augenhöhe ins Gespräch kommen und somit zum Beispiel Streit, Stress mit Anwohnern und Vandalismus vermeiden.
Auch für diese 18. Saison der „Streetwatcher“ gilt die Erkenntnis: Jede erfolgreiche Ansprache der Jugendlichen bedeutet unter anderem einen Polizeieinsatz weniger. „Das ist ganz klar die softere Lösung“, sagt Gemeindejugendpfleger Carsten Platt. Er koordiniert den Einsatz der „Streetwatcher“.
Derzeit engagieren sich 18 Menschen für die Jugendlichen in der Gemeinde mit rund 30.000 Einwohnern. Sie kommen aus verschiedenen Bereichen: Lara Meyer studiert Biologie und ist Ko-Sprecherin der Jusos im Landkreis Diepholz, Melanie Rabe arbeitet bei einem Softwareentwickler und Frank Seidel ist hauptamtlicher SPD-Bürgermeister. Die Teams sind freitags und samstags von 21 Uhr bis maximal 0.30 Uhr unterwegs und kennen die bei Jugendlichen beliebten Orte – von Sportplätzen bis zu den Schulen der Gemeinde.
Kein Komasaufen mehr Die Initiative zur Gründung der „Streetwatcher“ kam 2008 vom Präventionsrat. Damals gab es massive Probleme mit Komasaufen und Vandalismus durch Jugendliche, berichtet Platt. Die „Streetwatcher“ haben das Problem gut in den Griff bekommen. Ein weiterer Faktor ist das veränderte Freizeitverhalten der Jugendlichen. Früher trafen sich an den Hotspots 60 bis 70 Jugendliche. „Heute“, so Jugendpfleger Platt, „ist es selten zweistellig. Jugendliche sind heute mehr digital unterwegs. Corona war da auf jeden Fall ein Schnitt.“
Erfolg und Misserfolg eines solchen Projektes sind nach Überzeugung des Jugendpflegers „schwer messbar“. Die Gemeinde müsse sich diesbezüglich auf die Rückmeldung der Bevölkerung, von Anwohnern, der Polizei und nicht zuletzt den Jugendlichen selbst verlassen.
Sie alle finden es gut, dass es die „Streetwatcher“ gibt. Dies merken an diesem Samstag auch Lara Meyer, Melanie Rabe und Frank Seidel. Vielen der Jugendlichen sind die „Streetwatcher“ als Einrichtung längst ein Begriff, einige begrüßen das Team auch persönlich: „Hallo, Herr Seidel.“ Wer das Angebot nicht kennt, bekommt eine Visitenkarte vom Bürgermeister, der an diesem Abend auch Fahrer ist. „Dass es uns gibt, spricht sich unter den Jugendlichen herum“, sagt er.
Jugendarbeit: Regelmäßige Präsenz verhindert Eskalationen
Gemeindejugendpfleger Platt betont, die Bedeutung der „Streetwatcher“ liege auch darin, Plätze für Jugendliche zu erhalten. „Das geht nur, wenn nicht jedes Wochenende Drama ist“, erklärt er. Die bloße Anwesenheit der „Streetwatcher“ reicht oft, um „Drama“ zu verhindern, wie Himmelfahrt 2024 zeigte. An diesem Tag feiern viele junge Leute an einem Altarm der Weser. Eigentlich sind die „Streetwatcher“ präsent. Nur 2024 fehlte ein Team – prompt eskalierte die Situation laut Polizei.
Das Beispiel „Streetwatcher“ hat Schule gemacht – so etwa in der Stadt Twistringen im Landkreis Diepholz, die ebenfalls ein solches Angebot aufbauen möchte. Anderen Kommunen rät Platt, auf eine gute Anbindung an die Verwaltung, eine gute Medienpräsenz sowie einen engen Austausch mit der Polizei zu achten: „Das kostet erst mal gar nicht viel Geld.“ Zudem müsse ein Mensch wie etwa eine Jugendpflegerin oder ein Jugendpfleger da sein, die oder der das Team „ummantelt“. Platt sagt: „Ehrenamt will betreut werden.“ Konkret kümmert sich der Weyher Jugendpfleger um die Abrechnung, die notwendige Versicherung, Dienstkleidung und die Erstellung der Dienstpläne.
Finanzierung des „Streetwatcher“-Projekts
Zudem sind die „Streetwatcher“ ein vergleichsweise günstiges Projekt, das hilft, Folgeschäden zum Beispiel bei Vandalismus zu verhindern oder einzudämmen. Aktuel bekommt jedes „Streetwatcher“-Mitglied 30 Euro Aufwandsentschädigung je Einsatztag. Hinzu kommen die notwendigen Sachaufwendungen wie die Dienstkleidung oder die Ausrüstung, zu der unter anderem ein Erste-Hilfe-Set und Reinigungsgeräte gehören. Platt beziffert die Gesamtkosten auf 4.000 bis 5.000 Euro pro Jahr.
Wichtig ist der Anschub: engagierte Menschen finden und ausbilden. Das funktioniere viel über persönliche Ansprache, erklären Meyer, Rabe und Seidel. Aus den ehemals betreuten Jugendlichen sind bisher keine „Streetwatcher“ geworden. Zur Ausbildung: Platt hält es für „realitätsfern“, die Jugendleitercard (Juleica) vorauszusetzen. Weyhe geht einen pragmatischeren Weg: Neue Mitglieder werden mit den wichtigsten Kapiteln des Juleica- Handbuchs aus Thüringen geschult.
Torsten Kropp
Ulf Buschmann ist freier Journalist in Bremen. Für die DEMOKRATISCHE GEMEINDE ist er seit 1998 als Autor tätig.